Verkehr gemeinsam neu denken
Problemstellungen – Lösungsansätze – Konzepte – Visionen
Kempten wächst: steigende Einwohnerzahlen, mehr Schüler und Studenten, mehr Arbeitsplätze, mehr Besucher und Touristen. Dies bedingt mehr Verkehr auf allen Ebenen: mehr private PKW, höhere Anforderungen an den öffentlichen Nahverkehr, mehr Post- und Lieferverkehr.
Diesen Verkehr so zeitnah wie nachhaltig in den Griff zu bekommen, ist für zentrale Metropolen wie Kempten eine der wichtigsten kommunalpolitischen Aufgaben unserer Zeit. Und dies, ohne den für eine Einkaufsstadt wichtigen Einzelhandel zu gefährden oder die Lebensqualität der Bürger und ihr Recht auf Mobilität, d.h. Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Die Politik ist gefordert
Jeder Politiker ist verpflichtet, intensiv und unvoreingenommen nach Lösungen zu suchen, Einhergebrachtes zu analysieren, bisherige Entscheidungen und Alternativen zu prüfen sowie Visionen zu entwickeln, auch wenn diese auf den ersten Blick unkonventionell erscheinen. Und dies über Parteigrenzen hinweg ohne Denkverbote und Schere im Kopf.
Weniger PKW – mehr ÖPNV
llen aktuell vorliegenden Untersuchungen und Lösungsansätzen, so auch dem umfassenden Kemptener Mobilitätskonzept, liegt eine wichtige Erkenntnis zugrunde: Insbesondere der Individual- bzw. PKW-Verkehr in den Innenstädten muss reduziert werden. Dies gelingt vor allem dadurch, dass der ÖPNV attraktiver wird – durch Erreichbarkeit und Schnelligkeit, also durch übersichtliche Fahrpläne, kürzere Fahrzeiten, weniger Wartezeiten und kürzere Laufstrecken bis zur nächsten Haltestelle.
Auf dieser Basis hat die CSU-Stadtratsfraktion in den vergangenen Jahren vieles unter die Lupe genommen, sich in anderen Städten umgesehen und eigene Konzepte entwickelt.
ZUM entlasten: Mehr Ring statt Stern
Die Situation heute: Aus dem Umland und den Stadtteilen wird die ZUM von 23 Buslinien sternfömig angefahren.
- Je näher sie ihr kommen, desto mehr fahren die Busse in kurzen Abständen hintereinander durch Bahnhofsstraße, Königsstraße, Lingg-
straße, Residenzplatz usw. zur ZUM. - Den Takt zu verdichten macht spätestens hier im Stadtkern keinen Sinn mehr. Die ZUM mit täglich rund 1.000 An- und Abfahrten hat zu Hauptverkehrszeiten längst ihrer Kapazitätsgrenzen erreicht, ein mehr an Verkehr ist hier nicht mehr abwickelbar.
- Mehr Busse mit mehr Fahrten und entsprechend mehr Personal – das ist bei der aktuellen Linienführung auch ökonomischer Unfug.
- Höhere Taktfrequenz heißt zudem: Wir holen noch mehr Busse, also mehr Schwerverkehr mitten in die Innenstadt, statt diese zu entlasten. Die jetzt schon aufwändige Instandhaltung der Straßen wird teurer, zumal umweltfreundliche Elektrobusse durch ihre Batterien noch schwerer sind. (Die Fahrbahnschäden z.B. am Residenzplatz sind nur auf den Busverkehr zurückzuführen.)
- Die Aufenthalts- und Lebensqualität insbesondere im Bereich Nördliche Innenstadt wird bei einem Ausbau der ZUM nicht besser.
- Mehr Fahrten sind auch aus ökologischer Sicht kritisch zu sehen; sie sind eine Mehrbelastung für die Umwelt.
- Ein Bus braucht z.B. von Sulzberg bis zum Durchlass in St. Mang genauso lange wie dann durch den dichten Verkehr vom Durchlass bis zur ZUM und zurück. Für viele Linien entstehen dadurch unnötig lange Fahrzeiten, die besser – mit dem gleichen Fahrer und dem gleichen Bus – in weitere Fahrten vom Umland bis zum Stadt- oder Innenstadtrand investiert werden könnten.
- Derzeit im Raum stehen hohe Investitionen zum Kauf zusätzlicher Omnibusse (24 sind mit ca. 6 Mio. Euro zu veranschlagen, und Elektrobusse mit ca. 18 Mio. €), was zudem einen deutlich höheren Zuschussbedarf von ebenfalls ca. 6 Mio. Euro pro Jahr bewirken wird. Dieses Geld kann andernorts besser investiert werden.
Angesichts all dieser Aspekte stellt sich eine grundsätzliche Frage: Muss jeder einzelne Bus durch die gesamte Stadt oder gar bis zur ZUM in die Stadtmitte fahren?
Und genereller: Wie lässt sich der ÖPNV ohne allzu hohe Betriebskosten und ohne Belastung des Verkehrs, der Umwelt und der Infrastruktur in der Innenstadt attraktiver gestalten?
Lösungen nicht erst für übermorgen…
- Wir machen aus einer ZUM drei: Alle Umlandbusse fahren nur noch bis zu zwei Rendezvous- und Umsteigepunkten
- im Süden am HBF sowie
- im Norden an der Rottachstraße.
- Diese „Linienköpfe“ sind leistungsstark mit der Innenstadt zu verbinden: Man gelangt ab hier mit einem effizienten innerstädtischen ÖPNV nicht mehr nur zentral zur ZUM, sondern ebenso zu anderen Punkten der Innenstadt.
- An diesen Punkten ist zugleich genügend Parkraum zu schaffen, um hier – vor dem Stadtkern – den Individualverkehr abzufangen und die Fahrer zu animieren, in einen möglichst attraktiven ÖPNV umzusteigen.
- Wieder mehr Platz, ein willkommener Effekt: Die ZUM kann, statt ausgebaut, zurückgebaut werden – an einem Ort, der „Auf‘m Plätzle“ heißt und morgen auch wieder eines sein kann. Durch freiwerdende Flächen eröffnen sich hier mitten in der Innenstadt herausragende städtebauliche Chancen.
…und auch für den Tourismus:
Der Städtetourismus verzeichnet vielerorts ein stetes Wachstum. Hier stellt sich die Frage: Wie locken wir Tages- und Städtetouristen nicht mehr mit dem PKW in die Innenstädte, sondern mit dem ÖPNV möglichst auch gleich an die für sie attraktiven Orte? Im unserem Fall sind dies nebst der historischen Alt- und Stiftsstadt insbesondere der APC mit der römischen Geschichte Kemptens und die Burghalde als Wahrzeichen unserer Stadt.
Hierbei klar ist, dass
- an einem „Tourismuszentrum APC“ nur wenig Platz für Busverkehr und Haltestellen (sowie für PKW-Parkplätze) vorhanden ist,
- zur Burghalde keine Busse hinauffahren können. Die erfolgreiche Entwicklung einer attraktiven Burghalde aber hängt davon ab, eine barrierefreie „Aufstiegshilfe“ insbesondere auch für ältere Menschen zu schaffen. Erst eine bessere Erreichbarkeit würde größere Planungen und Investitionen für die Fortentwicklung dieses Ortes rechtfertigen.
Eine städtische Seilbahn als integrale wie ökologische Lösung
Die Herausforderung heißt nach all diesen Vorüberlegungen:
- Wie verbinden wir die beiden „Linienköpfe“ möglichst fließend getaktet
- bei gleichzeitiger Reduzierung des Schwerlastverkehrs (durch Busse) in der Innenstadt
- unter Anbindung touristischer Ziele (APC, Burghalde)
- und dies ebenso schonend für die Umwelt wie die Bewohner im Stadtzentrum?
Die Antwort des CSU-Verkehrsarbeitskreises: mit einer urbanen Seilbahn.
Wie kann eine Kemptener Seilbahn verlaufen?
Vom Hauptbahnhof zur Allgäuhalle und zurück in einem dreiminütigen Umlauf. Dann von der Allgäuhalle über die Bahnhofstraße zur ZUM, anschließend zu Parkplatz Rottachstraße, APC, Burghalde und wieder zur Allgäuhalle in einem 15-minütigen Umlauf.
An jeder Stelle kann die Seilbahn künftig sternförmig erweitert werden, um zusätzliche Ziele anzubinden.
Technisch und finanziell realisierbar
Erste Untersuchungen und etliche Gespräche haben die technische Machbarkeit, ihre Finanzierbarkeit – u.a. durch umfangreiche staatliche Fördermittel für ein solches zukunftsweisendes Leuchtturmprojekt – sowie ihre Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit bestätigt; nun sind Fachleute am Zug, nun brauchen wir die erforderlichen Studien und Detailplanungen.
Ohne die Bürger nicht machbar
Und ebenso brauchen wir nun das offene Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Denn klar ist uns auch, dass eine Seilbahn nur gebaut werden kann, wenn die Kemptenerinnen und Kemptener mitziehen und das Projekt unterstützen.
Klar ist auch, dass noch rechtliche und städtebauliche Themen zu bewältigen sind. All das sind aber keine Hindernisse, um die Flinte ins Korn zu schmeißen, sondern Herausforderungen – für eine bessere Zukunft und ein lebenswertes Kempten, das nicht im Verkehr erstickt, Dafür muss Denken nicht erlaubt, sondern ein Gebot der Stunde sein.
Die Vorteile einer Seilbahn liegen klar auf der Hand
Urbane Seilbahnen bieten weltweit wie mittlerweile auch in Deutschland Antworten auf hochkomplexe Problemstellungen im Verkehr – egal ob auf kürzeren Einzelstrecken wie in Koblenz, Köln und Bozen oder mit einem Netz aus zehn Seilbahnlinien wie in La Paz mit insgesamt 36 Stationen sowie einer Gesamtlänge von 30 Kilometern – und so auch für Kempten.
Klima- und umweltfreundlich: Wohl kein Verkehrsmittel mit ähnlich hoher Kapazität ist nachhaltiger und umweltfreundlicher. Geräuscharm und CO-neutral kann ein großer Teil des derzeitigen innerstädtischen Busverkehrs abgelöst werden. Ein riesiger ökologischer Schritt – insbesondere bei Nutzung regenerativer Energien wie der Wasserkraft der Iller.
Zeitsparend und effizient: Kein ähnliches Verkehrsangebot kann im ÖPNV auch nur annähernd eine solche Taktdichte darstellen. Bei einer Kabinenfolge im Takt von 15 bis 20 Sekunden entfallen Wartezeiten an den Umsteigehaltestellen nahezu: Man kommt an und steigt in eine der stetig folgenden Kabinen, um die Innenstadt zu erreichen. Auch die Fahrzeiten sind im Vergleich zum konventionellen ÖPNV mindestens gleich schnell, überwiegend sogar kürzer.
Barrierefrei: Seilbahnen sind im Gegensatz zu Bussen und Bahnen barrierefrei und behindertengerecht.
Kurze Bauzeit ohne Flächenfraß: Eine Seilbahn ist schnell zu bauen und braucht nicht viel Raum. Zeit und Platz erfordern lediglich die Stationen und Pfeiler, das Seil ist rasch gespannt. Insgesamt werden für Kempten ca. zwei Jahre Bauzeit veranschlagt.
Die Iller ist kein Hindernis: Eine Seilbahn kann die Iller problemlos und ohne Mehrkosten überwinden und würde so auch die durch die Flusslandschaft bedingten Nadelöhre wie z.B. die St.-Mang-Brücke spürbar entlasten.
Reduzierung und Optimierung des Busverkehrs: Durch eine stetige und attraktive Seilbahnverbindung zwischen „Kopfpunkten“ können die Buslinien dort enden; die zeitaufwändigen innerstädtischen Durchfahrten entfallen. So können freiwerdende Buskapazitäten für eine Taktverdichtung in die Stadtteile und Region verwendet werden – eine enorme Chance für die bereits gesteckten Ziele zur Verbesserung des ÖPNV.
Insbesondere die nördliche Innenstadt um die heutige ZUM und ebenso die Bahnhofstraße, wird enorm vom „Schwerverkehr Bus“ entlastet, hier ergeben sich städtebaulich neue, vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten. Aufenthaltsqualität und Attraktivität der Innenstadt werden deutlich gesteigert.
Gut für den Lindenberg und das APC: Die Anbindung des Quartiers „Auf dem Lindenberg“ wie die verkehrliche Erschließung des Archäologischen Parks (APC) wäre mit einem Mal erledigt. Die Bewohner rund um den APC werden deutlich vom Verkehr entlastet. Und der touristischen Entwicklung des APC stünde verkehrlich nichts mehr im Wege.
Burghalde aktivieren: Die Einbindung der Burghalde in ein urbanes Seilbahnnetz macht auch diesen besonderen Ort für alle Bürger und Besucher zugänglich und weitere Investitionen sinnvoll, er würde aus seinem Dornröschenschlaf erwachen.
Integrativ und flexibel: Ein Seilbahnsystem lässt sich problemlos sowohl tariflich als auch fahrplantechnisch in das bestehende ÖPNV-Netz integrieren, zudem ist es flexibel und modular erweiterbar.
Seilbahnen sind preiswert: Im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln liegen die Investitionen niedriger. Ein Kilometer kostet ca. 8 Mio. Euro. Vom Hauptbahnhof zur Allgäuhalle ist es ca. 1 km (x 2), der Rundkurs durch die Innenstadt beläuft sich auf 3 km, also insgesamt ca. 5 km und somit 40 Mio. Euro. Dazu kommen je nach städtebaulichem Anspruch noch besondere Kosten für die Haltestellen. Nach ersten Gesprächen von Oberbürgermeister Thomas Kiechle mit dem Verkehrsminister können wir für ein solches bayerisches Pilotprojekt mit hohen Zuschüssen rechnen.
Betriebskosten überschaubar: Auch die Betriebs- wie die Personalkosten einer Seilbahn sind überschaubar und werden mit jährlich 1,2 Mio. Euro veranschlagt. Dagegen würde ein Ausbau des bestehenden Busnetzes jährliche Zuschüsse von 6 Mio. Euro erfordern.
Tourismus-Magnet: Eine innerstädtische Seilbahn mit Einbindung relevanter Punkte ist nicht nur eine ÖPNV-Lösung, sondern kann zu einem attraktiven Touristenmagnet entwickelt werden. Wo sonst ist eine Stadt aus der Luft zu besichtigen? Für die Entwicklung des Tourismus ein großer Schritt – mit allen positiven Auswirkungen auf die gesamte Stadt.