100-Euro-Ticket für Bus & Bahn – ein gutes Konzept?
Zur Vorgeschichte:
Die „Mobilitätsgesellschaft für den Nahverkehr im Allgäu“ mona besteht aus den Landkreisen Oberallgäu, Ostallgäu und den kreisfreien Städten Kaufbeuren und Kempten sowie 13 Verkehrsunternehmen. Im Aufsichtsrat sitzen neben den Oberbürgermeistern Stefan Bosse (Kaufbeuren) und Thomas Kiechle (Kempten) auch die Landrätin Rita Zinnecker (Ostallgäu) und der Landrat Anton Klotz (Oberallgäu).
Seit Mitte 2018 arbeitet die mona an einem einheitlichen Tarifkonzept für das gesamte Allgäu – ein zentrales, die Stadt- und Landkreisgrenzen übergreifendes Projekt, das von der EU über das Leader-Programm gefördert wird. Im Frühjahr 2020 werden die beauftragten Gutachten zur Tariffindung abgeschlossen sein. Auf dieser Grundlage könnten die Beteiligten dann wie abgemacht ihr Tarifprojekt beschließen – als gemeinschaftliches Projekt der mona mit all ihren Gesellschaftern.
Also eigentlich alles wie besprochen und alles wie abgemacht am Laufen.
Doch plötzlich scheren Landrat Klotz und der Oberallgäuer Kreistag ohne Rücksprache oder Begründung aus. Im Alleingang beschließt man, nur für die Fahrgäste im Oberallgäu ein Jahresticket für Bus und Bahn zum Preis von 100 € anzubieten. 100 € im Jahr sind gleichbedeutend mit 27 Cent am Tag. Das ist für die Verkehrsunternehmen natürlich nicht kostendeckend, den Rest der Zeche will der Landkreis dazu schießen.
Kosten der Bahn noch gänzlich unbekannt
Über die Höhe des Zuschussbedarfes kann derzeit nur spekuliert werden, denn mit der Deutschen Bahn wurde längst noch kein Preis verhandelt. Während der Landrat die Kosten für die Bahn mit max. 300.000 €/a beziffert, rechnen Verkehrsexperten mit Summen von ca. 2 Millionen €/a. Plus einem Verlustausgleich für die Busunternehmen, hier kann man von einem weiteren Millionenbetrag ausgehen.
100 €/a kommt natürlich bei den Bürgern gut an. Jeder der nur einmal im Monat mit dem Zug nach Oberstdorf fährt, wird dieses Ticket kaufen. Der Erfolg des Tickets ist damit garantiert. Nicht garantiert ist aber, wie lange sich der Landkreis Oberallgäu diesen hohen Defizitausgleich leisten will. Da kann es leicht sein, dass die Freude über den Erfolg, angesichts der hohen Kosten, bei den Bürgermeistern alsbald in Verdruss umschlägt.
Wir werden sehen. Bis zur Einführung am 1. April 2020 ist es nicht mehr weit.
Ein riskantes Spiel mit Steuergeldern
Die Kemptener Stadträte waren auf jeden Fall gut beraten in dieser Sache erst einmal abzuwarten. Noch hat Landrat Klotz keine Vereinbarung mit der Bahn getroffen, noch steht der zu erwartende Zuschussbedarf in keiner Weise fest, noch ist das Projekt ein ziemlich riskantes, weil noch unkalkulierbares Spiel – und das nicht mit eigenem Geld, sondern mit Steuergeldern.
Mit großer Beteiligung des Freistaates wird in anderen Landkreisen an einem 365-Euro-Ticket gearbeitet. In München wird ein solches Ticket künftig nur für Schüler und Azubis, nicht aber für den Normalbürger angeboten. Der Freistaat gibt dazu ca. 70 Millionen Euro Zuschuss. Im Oberallgäu aber soll es ohne Zuschüsse des Freistaates und zudem für jeden Fahrgast sogar zum Preis von 100 €/a gehen. Da kann man schon einmal ins Grübeln kommen.
Die CSU Kempten wird sich daher vorerst nicht an dieser Soloaktion des Oberallgäus beteiligen. Wir wollen den längst eingeschlagenen Weg der Tarifharmonisierung im gesamten Allgäu zusammen mit der mona fortsetzen. Für uns ist der Zuschussbedarf des Klotz-Tickets nicht berechenbar und zielt in eine falsche Richtung.
ÖPNV nicht nur günstiger, sondern besser machen
Statt Millionenbeträge in die Verbilligung zu stecken, will die CSU Kempten lieber das Angebot des ÖPNV in den kommenden Jahren weiter verbessern und die Linien enger miteinander vertakten. Derzeit fährt in Kempten ca. alle 30 Minuten ein Bus. Ein Abstand von 15 Minuten wäre ein erklärtes Ziel. Zudem würden neue Angebote bis in die Abend- und Nachtstunden hinein mehr Menschen in den ÖPNV locken. Der ÖPNV muss in erster Linie bequemer und schneller werden. Dies erfordert hohe Investitionen und hohe jährliche Zuschüsse, die dann aber sinnvoll sein werden und zudem kalkulierbar sind.
Selbstverständlich muss der Ticketpreis ebenso attraktiv wie angemessen sein. Angemessen heißt aber auch, dass die dafür angebotene Leistung zu berücksichtigen ist. Da kann sich Kempten mit dem halben Stundentakt schon sehen lassen, während in manchen Landkreisgemeinden nur zweimal am Tag ein Bus anhält. Dort würde man Herrn Klotz nicht einmal ein 50-Euro-Ticket abkaufen.
Nur billig ist halt zu kurz gesprungen oder nur gekleckert, statt geklotzt.
Erwin Hagenmaier, Vorsitzender CSU-Stadtratsfraktion